Er war kein Harzer, Johann
August Roebling, aber seine Mutter kam aus
Osterode, sein Geburtsort
Mühlhausen in Thüringen ist auch nicht so weit vom Harz weg und
seinen außergewöhnlichen Erfolg verdankte er einer Harzer Erfindung.
Daher will ich seine Geschichte erzählen!
Johann August Roebling
wurde 1806 als fünftes Kind einer Kaufmannsfamilie in Mühlhausen
geboren. Nach anfänglichem Gymnasiumsbesuch in seiner Heimatstadt
wechselte er auf das renommierte Privat- Pädagogium in Erfurt. Dann
studierte er auf der Berliner Bauakademie. Dort interessierte er
sich insbesondere für technische Fachgebiete, die mit dem Brückenbau
zusammenhingen. Als er erfuhr, dass in Bayern, der Pfalz und in
Westfalen erste Hängebrücken entstanden, besucht er diese umgehend.
Im Jahr 1826 legte er sein Examen ab und arbeitete dann in Westfalen
als Baukondukteur in staatlichen Diensten. Durch die beginnende
Industrielle Revolution flossen viele neue Erkenntnisse und
wissenschaftlichen Grundlagen in die Bautechnik, die Roebling gern
in seine Arbeit integriert hätte. Er musste aber zur Kenntnis
nehmen, dass im Preußischen Dienst nur nach Vorschrift gearbeitet
wurde, selbstständiges Denken unerwünscht war und neue Ideen auf
Ablehnung stießen.
Während seines Studiums hatte
Roebling an der Berliner Universität auch Philosophie bei Friedrich
Hegel gehört und es Erwuchs eine enge Bekanntschaft. So wurde der
junge Roebling auch auf Amerika, das aufstrebende Land mit
unbegrenzten Möglichkeiten, aufmerksam. Da Roebling seine Situation
in Preußischen Diensten für sich als unerträglich ansah, fasste er
den Entschluss nach Amerika auszuwandern. Das war m Jahr 1831 und
Roebling war gerade 25 Jahre alt. Er konnte weitere etwa 50 junge
Mühlhäuser, darunter seinen Bruder Carl, überzeugen mit ihm
auszuwandern. Nach gut 6 Wochen auf einem Segelschiff erreichten
die Mühlhäuser den Hafen von Philadelphia.
Wie in dem Buch „Brücken für
die Ewigkeit – das Leben von Johann Roebling und seinem Sohn“ von
David B. Steinman dargelegt wird, befanden sich die USA zu jener
Zeit in einem epochalen Aufbruch. Überall im Land wurden
Verkehrsinfrastrukturen aufgebaut, insbesondere von West nach Ost
über das trennende Gebirge der Rocky Mountains. Straßen wurden
gebaut, Brücken, Kanäle und vor allem Eisenbahnstrecken.
Insbesondere der Bau der Eisenbahnstrecken war damals eine
unvorstellbare Herkulesaufgabe. Mussten die Züge doch teilweise
gewaltige Steigungen und Höhenunterschiede auf kürzester Strecke
überwinden. Um dies zu bewerkstelligen wurden Dampfmaschinen
eingesetzt, die Hanfseile zogen, an denen die Wagons hingen. Diese
Hanfseile, die Längen bis zu 1,5 km und Durchmesser bis zu 75 mm
hatten und zum Teil einige Tausend Euro teuer waren, konnten den
mechanischen Belastungen aber oftmals nicht standhalten und rissen,
was zu schweren Unfällen führte.
Roebling war damals an diesen
Projekten als Vermessungsingenieur beteiligt und wusste somit um
dieses Problem. Als Ingenieur mit breitgefächerter Ausbildung und
Ausrichtung nahm er sich dieser Herausforderung an und erinnerte
sich an eine Erfindung aus Deutschland. Da war doch ein gewisser
Albert aus
Clausthal im Harz, der um 1835 ein Seil erfunden hatte, dass
aus vielen einzelnen Drähten „geflochten“ war und dass im Bergbau
wertvolle Dienste leistete, war seine Intension. In den USA hatte
bis 1841 anscheinend noch niemand von der deutschen Erfindung aus
dem Harz gehört. Roebling hatte damals schon einiges Geld verdient,
bei Pittsburg Land erworben und sich in dem Dorf Saxonburg eine
Farm aufgebaut. Wie in dem aufgeführten Buch berichtet wird, begann
Roebling, nachdem er sich über Alberts Drahtseiltechnologie schlau
gemacht hatte, auf seinem Grundstück das erste etwa 500 m lange
handgedrehte Stahlseil herzustellen. So fertigte er aus einzelnen
Litzen (Drähten) Kardeele (dünne Drahtseile) die er unter
Zuhilfenahme einer Verseilmaschine zu einem Zoll starken Seilen
geflochten hat. Der Erfinder des Drahtseils, Berghauptmann Albert,
hatte seine Erfindung nicht zum Patent angemeldet, Roebling aber
meldete seine Weiterentwicklung in den USA zum Patent an, das auch
1842 erteilt wurde. Obwohl die etablierte Hanfseillobby mit aller
Macht versucht hatte, den Vormarsch von Roeblings Drahtseil zu
verhindern, entwickelte sich der in rasantem Tempo. Besonders in
Chicago begann sich ein regelrechter Drahtseilboom zu entwickeln,
weil für den Hafenbau immer mehr Stahlseile eingesetzt werden
sollten.
Aber Roebling hatte andres im
Sinn, nicht nur Zugseile wollte er fertigen und einsetzen – er hatte
eine große Vision -- Stahlseile sollten für Brückenkonstruktionen
eingesetzt werden. Monatelang tüftelte er an entsprechenden
Drahtseilen, die solche Konstruktionen ermöglichen könnten, nachdem
er gelesen hatte, dass in Frankreich und der Schweiz bereits
kleinere derartige Brückenkonstrukte erprobt worden waren. Roebling
entwickelte Drahtseile, bei denen um einen gehärteten Kerndraht
(Seele) spiralförmig die Seillitzen gewickelt wurden. Diese dünnen
Seile hängte er einzeln in die Stützen (Pylone) ein und verseilte
diese zu dicken Drahtseilsträngen, die auf diese Weise
spannungsneutral gefertigt wurden. Diese massiven Drahtseile, deren
einzelne Drahtseilstränge aus kaltgezogenem, hochfestem, unlegiertem
Stahllitzen bestanden, wurden mit weichen, ausgeglühten Seilen
ummantelt, die eine Art Schutzschild bildeten und zu
Korrosionsschutzzwecken mit einem Farbanstrich versehen wurden.
Die Amerikaner waren offen für
neue, technische Ideen und so konnte Roebling schon bald seine erste
Brückenkonstruktion an einem Fluss in Pittsburg erproben und hatte
großen Erfolg damit. Die Fachwelt bestaunte und bejubelte ihn und
so konnte er schon bald weitere Projekte realisieren. Das waren
zunächst Eisenbahnbrücken, denn überall in Amerika wurden quer
durchs Land Eisenbahnstrecken errichtet. Roebling hatte inzwischen
ein eingespieltes Fachteam zusammengefügt und brauchte sich über
Auftragsmangel nicht mehr zu beklagen. Auch sagte man ihm nach, ohne
Furcht und Tadel zu sein, denn er arbeitete ohne Unterlass und auch
das freie Klettern auf seinen hohen Brückenkonstruktionen schreckte
ihn nicht.
Aber Roebling war nicht nur
Brückenbauer, er war auch erfolgreicher Unternehmer und
Industrieller, er errichtete zusammen mit anderen deutschen
Auswanderern in Saxonburg und später in Trenten/New Jersey eine
Drahtseilfabrik. Um 1850 hatte Roebling in wenigen Jahren 6 Brücken
gebaut, eine Leistung die rekordverdächtig war und von keinem
anderen Brückenbauer der Welt erreicht wurde.
Es folgten die Brücken über die
Niagarafälle und die Brooklyn-Bridge in New York, die ihm nicht nur
weltweite Anerkennung als Brückenbaumeister einbrachten, sondern die
auch bleibendes Kulturgut wurden. Die Brooklyn-Bridge kann im
Wirken von Roebling als Meisterwerk angesehen werden. Tragischer
Weise wurde er bei Vermessungsarbeiten an dieser Brücke von einem
Fährboot angefahren und verstarb an den dabei erlittenen
Verletzungen 1869. Da Johann August Roebling als Erfinder und
Ingenieur seine Spuren ausschließlich in den USA hinterlassen hat,
ist er hierzulande weitgehend unbekannt – leider und zu Unrecht,
denn sein Erfindungsreichtum und seine ingenieurtechnischen
Leistungen haben auch unser Bau- und Konstruktionswesen maßgeblich
geprägt. Heute finden wir an seinem Geburtshaus in Mühlhausen eine
Gedenktafel.
Weitere Informationen unter:
https://de.wikipedia.org/wiki/John_August_Roebling,
Drahtseilerfinder Albert aus Clausthal
>>> Gastgeber in
Osterode
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Bernd
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